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Golf hat in Deutschland ein elitäres Image. Zu Unrecht, findet Elizabeth Höh. Im Aschheimer Golfpark trainiert sie seit Jahren eine Inklusionsgruppe, in der Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen über sich hinauswachsen.

Von Cathrin Schmiegel

Die Luft steht über dem Rasen. Auf der Augenbraue eines Golfers klebt ein Schweißtropfen wie ein Insekt. Mit einer Gruppe Sportler trainiert er an der Driving Range weite Schläge. Der Unterricht wird an diesem Nachmittag nur eine Dreiviertelstunde dauern. Es ist 17 Uhr, trotzdem: „Es ist zu heiß“, sagt Elizabeth Höh. Ihre Stirn unter der weißen Kappe zieht sich in Falten. Die volle Trainingsstunde will sie ihren Schülern nicht zumuten. Handicap Stars nennt sich die Gruppe. Der Name ist mehr als bloßer Sportjargon: Die Handicap Stars sind eine Inklusionsgruppe. Höh hat sie vor sechs Jahren ins Leben gerufen. Der Golfpark München-Aschheim bietet ihr die Freiheit und das Gelände dafür.

Elizabeth Höh ist in den Niederlanden geboren, das Golfen hat sie in Irland gelernt. Ein Priester hat ihr alles beigebracht: wie das Spiel funktioniert und wie sie den Schläger zu halten hat: beide Hände locker um den Schläger geschlungen, die Daumen auf einer Linie. Der Zeigefinger der unteren Hand umgreift den kleinen Finger der anderen. In Irland, erzählt Höh, spiele fast jeder.

Der Golfklub in Aschheim ist ein Vorreiter

In Deutschland ist das anders. Die Mitgliedschaft in Golfklubs ist den Reichen und Privilegierten vorbehalten. So lautet zumindest das Vorurteil. „Ich will weg von diesem elitären Image“, sagt Höh und ihr holländischer Akzent färbt jeden Ton ihrer warmen Stimme ein. Höh hat in Irland schnell dazugelernt, nach ihrem Studium machte sie ihr Hobby zum Beruf. Im Aschheimer Golfpark trainiert sie die unterschiedlichsten Gruppen, die Handicap Stars sind eine von ihnen. Sie liegt ihr am Herzen. „Ich versuche, behinderte und gesunde Menschen im Sport zusammenzubringen“, sagt Höh. Der Golfklub in Aschheim steht damit heute noch fast alleine da.

Deutschlandweit gibt es über 700 Golfklubs, gerade eine Handvoll davon bieten integrative Kurse an. „Der Grund ist oft topographisch“, sagt Werner Proebstl, Vizepräsident des bayerischen Golfverbands am Telefon. Rollstuhlfahrer könnten hügelige Anlagen schlichtweg nicht befahren. „In Sachen Barrierefreiheit muss deswegen noch viel geschehen“, sagt Proebstl. Er klingt gehetzt, gemeinsam mit Höh und anderen hat er die Internationalen Bayerischen Meisterschaften für Golfer mit Behinderung nach Aschheim geholt.

Elizabeth Höh (links, mit Carina Koller) trainiert in Aschheim Golfer mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen.

(Foto: Robert Haas)

Die Schüler, die Höh trainiert, schätzen ihr Engagement ebenso wie ihren Trainingsstil. „Sie versimpelt nichts an ihrem Unterricht, aber sie überfordert die Menschen auch nicht“, sagt Martha Koller. Seit acht Jahren bringt sie ihre Tochter her, Carina. An manchen Tagen nimmt Martha Koller selbst einen Golfschläger in die Hand. Allerdings sehr selten. „Mein Mann wünschte, ich würde öfter spielen“, sagt sie. Lieber sieht sie ihrer Tochter zu, wie an diesem Tag. Carina steht neben ihr, den Rücken gerade, leicht vornüber gebeugt. Ihr Blick folgt jedem Ball, den sie den Hügel hinunterschlägt. Nur kurz schenkt sie ihm Aufmerksamkeit. Wo er landet, ist ihr gleichgültig, sie hat sich schon dem nächsten Schlag zugewendet.

Carina Koller ist 33 Jahre alt, sieht jünger aus. Die junge Frau wurde zu früh geboren. „Die ersten drei Monate wussten wir nicht, ob sie es schaffen wird“, sagt Martha Koller, „aber sie hat es gepackt“. Eine geistige Behinderung aber ist zurückgeblieben. Carina beteiligt sich wenig an dem Gespräch, sie redet nicht gerne mit Fremden. Höh aber vertraut sie. Als die Trainerin sanft ihre Haltung korrigiert, streckt Carina Koller ihr die Wange leicht entgegen. Höh streichelt sie, und hakt sich bei der 33-Jährigen unter. Auf ein Getränk werden die Handicap Stars sich noch im Klubhaus zusammensetzen.

Den gelähmten Arm bindet der 47-Jährige beim Abschlag zurück

Ein Sonnenschirm taucht den Tisch auf der Terrasse in den Schatten. In dem Wasserglas neben Höh knistert die Kohlensäure. „Bei Menschen mit einem Handicap braucht man sehr viel Feingefühl“, sagt die Trainerin, „ohne gegenseitiges Vertrauen können weder geistige noch körperliche Schwellen überwunden werden.“ Das Vertrauen ihrer Schüler hat Höh peu à peu gewonnen. Sie trainiert Schüler mit den unterschiedlichsten Behinderungen: Menschen mit Down-Syndrom, Autismus oder Bewegungseinschränkungen. Der 15-jährige Pascal etwa zählt zu einen der Stars in der Gruppe. Mit einem Handicap von 16,7 nimmt er regelmäßig an Turnieren teil – trotz Klumpfußes. Auch Gerd Baier gehört zur Gruppe. Er stützt einen Fuß durch eine Schiene, auch einen Arm kann er seit einer Gehirnblutung nicht mehr bewegen. Um beim Abschlag nicht behindert zu werden, bindet der 47-Jährige seine gelähmte Hand mit einer Schlaufe an den Rumpf. Baier lächelt, als er die Konstruktion zeigt. Sie funktioniert: Beim Training hat er den Ball einhändig 150 Meter weit geschlagen.

„Golf ist eine perfekte Therapie“, sagt Höh. Um jedem ihrer Schüler gerecht zu werden und ihrer Gesundheit nicht zu schaden, spricht sich die Holländerin mit den zuständigen Ärzten und Therapeuten ab. Regelmäßig konsultiert sie zudem einen Neurologen. Philipp Pilz ist Oberarzt der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus Günzburg und von dem positiven Effekt des Sports überzeugt. „Golf ist für Menschen mit Behinderung aus medizinischer Sicht besonders wertvoll“, schreibt Pilz in einer Pressemitteilung zum Thema.

Eine Studie beweist: Golf hilft Schlaganfallpatienten

Der Sport fördere komplexe Bewegungsabläufe des Körpers, verbessere die Koordination und den mentalen Gesundheitszustand und durch den langen Aufenthalt in der freien Natur die Stimmungslage. „Es besteht ein sehr hoher Motivationsgrad im Vergleich zu herkömmlichen Rehabilitationsansätzen“, heißt es weiter. Studien wie die einer Arbeitsgruppe der Fakultät für Sportwissenschaft an der Universität Regensburg geben ihm Recht. Petra Jansen und Tobias Schachten haben nachgewiesen, dass Golf nach einem Schlaganfall in den meisten Fällen hilft: Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe haben sich die mentalen und visiokonstruktiven Fähigkeiten der Golfspieler verbessert.

Ursula Haller-Mayer hat lange darunter gelitten, dass Angebote für eine geeignete sportliche Beschäftigung fehlten. Seit einer Gehirnblutung vor 16 Jahren ist sie halbseitig gelähmt. Fahrradfahren und Skifahren gehören seitdem der Vergangenheit an. „Nichts von dem, was ich vorher machen konnte, hat mit meiner Lähmung noch funktioniert“, sagt sie. „Ich verfiel in eine schlimme Depression.“ Doch Ursula Haller-Mayer überwand die Krise, und suchte nach sportlichen Alternativen. So entdeckte sie das Golfspiel. Scheinbar der einzige, der integratives Golfen anbot aber, war ein Neurologe in Köln. „Ich dachte, das war es mit dem Golf“, sagt Haller-Mayer und packt ihre Golftasche in den Kofferraum ihres Autos. Sie lächelt. „Dann stieß ich auf die Handicap Stars. Der Unterricht hat alles für mich verändert.“

Elizabeth Höh
Elizabeth Höh
Ihr Erfolg ist mein Erfolg, Ihre Ziele sind meine Ziele, daher lege ich größten Wert auf eine optimale Betreuung, für Sie ganz persönlich.

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